Die erste Jugendsynode der Evangelischen Kirche im Rheinland ist für Präses Manfred Rekowski nicht nur eine besondere Herausforderung, sondern auch wichtig für die Zukunft einer Kirche, die junge Leute ernst nimmt. „Von daher ist das schon sehr viel mehr als ein Sandkastenspiel. Es ist eine ordentliche Form von Beteiligung“, so Rekowski. Für die Kirchenleitung und die Evangelische Jugend sei es besonders wichtig, dass die Ergebnisse der Jugendsynode weitergegeben und bearbeitet werden. Aus diesem Grund wird sich die 71. ordentliche Landessynode, die ab Sonntag, 6. Januar 2019, ebenfalls in Bad Neuenahr tagt, mit den zuvor auf der Jugendsynode getroffenen Beschlüssen befassen.
110 Abgeordnete kamen vom 04.-06. Januar 2019 zusammen, um Themen zu bearbeiten, die junge Menschen besonders beschäftigen. Von der Ev. JugendAn Nahe und Glan waren Ana-Lina Burket als Ehrenamtlich und Jugendreferentin Anika Weinsheimer als Hauptamtliche delegiert. Die Idee zur Organisation einer Jugendsynode sei laut Rekowski bereits vor einigen Jahren angestoßen worden. Das Ziel sei es, die Vielfalt der Kirche abzubilden und der jungen Generation ein größeres Mitspracherecht zu geben. Bei der Vorbereitung und Planung arbeiteten Kirchenleitung und Evangelische Jugend im Rheinland gleichberechtigt zusammen.
Neben dem Oberthema Partizipation wurden vier weitere Themen diskutiert. Zwei davon aus der Landessynode kommend (Flüchtlingsproblematik an den EU-Außengrenzen und neue Gemeindeformen) sowie zwei weitere Themen, die vom Jugendverband erarbeitet wurden (Jugendarbeit und Jugend- und Familienarmut). Während alle acht Arbeitsgruppen zunächst an dem Thema Partizipation arbeiteten, wurden ab Samstagvormittag arbeitsteilig die anderen Themen diskutiert. Von den acht Arbeitsgruppen wurde in vieren davon, also von der Hälfte der teilnehmenden Jugendsynodalen, das Thema Kinder- und Jugendarbeit priorisiert bearbeitet. Das zeigt deutlich, welchen hohen Stellenwert das Thema bei der Jugendsynode hatte.
Die erste Jugendsynode der Evangelischen Kirche im Rheinland macht sich für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, für neue Gemeindeformen, den Erhalt und die Förderung der Kinder- und Jugendarbeit und die stärkere Teilhabe von jungen Leuten auch an der Leitung von Kirche stark. Am Ende dreier intensiver Tagungstage gaben die 110 Delegierten der heute beginnenden Landessynode, dem obersten Leitungsgremium der rheinischen Kirche, fünf Beschlüsse mit auf dem Weg.
Die fünf Beschlüsse der Jugendsynode im Überblick:
Partizipation
Die Evangelische Kirche im Rheinland soll verbindliche Formen der Teilhabe junger Menschen in ihrer gemeindlichen Arbeit und in ihren Gremien schaffen. Konkret schlägt die Jugendsynode der Landessynode vor, über einen Zeitraum von drei Jahren mit fünf Kirchenkreisen innovative Modelle zur Partizipation junger Menschen zu erproben. Kirchliche Schulen sollen exemplarisch Teilhabe als Element demokratischen Handelns einüben. Außerdem sollen „wirksame und überprüfbare Qualitätskriterien“ für die Partizipation in der kirchlichen Gremienarbeit entwickelt werden. Die Kirchengemeinden und Kirchenkreise sollen verbindliche Fachausschüsse für Jugend einrichten, in denen junge Menschen die Hälfte der Mitglieder stellen. Dazu soll auch die Kirchenordnung geändert werden.
Die Jugendsynode hofft zudem, dass die Kirchenkreise künftig mehr junge Menschen in die Landessynode entsenden. Impulse erwartet die Jugendsynode von der Landessynode auch für die Arbeit mit Konfirmandinnen und Konfirmanden. Sie schlägt beispielsweise einen Rahmenplan vor, aus denen Gemeinden zusammen mit den Jugendlichen religionspädagogische Module ausgesucht werden. Auch an eine engere Verzahnung von Konfiarbeit und Jugendarbeit denkt die Jugendsynode. Über diese Vorschläge für mehr Partizipation junger Menschen in der Kirche hinaus, hat die Jugendsynode auf gesellschaftliche Teilhabe im Blick. So erhofft sie, dass die Landessynode sie in ihrer Forderung, das aktive Wahlalter auf Landes- und Bundesebene zu senken, unterstützt.
Geflüchtete/EU-Außengrenzen
Angesichts einer permanenten Verschärfung des Asylrechts und restriktiven Abwehr von Flüchtenden an den Außengrenzen der Europäischen Union (EU) beschäftigte die Teilnehmenden der Jugendsynode vor allem das Schicksal unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter. Sie fordert die Gemeinden ihrer Kirche auf, vor der Europawahl im Mai 2019 das Gespräch mit Politikerinnen und Politikern zu suchen und sie für die besondere Schutzbedürftigkeit dieser jungen Menschen vor Missbrauch, Menschenhandel und Ausbeutung zu sensibilisieren. Beispielhaft nennt sie ein Projekt des Kirchenkreises Jülich, das minderjährigen Geflüchtenden, die im marokkanischen Oujda gestrandet sind, Lebensperspektiven ermöglicht.
Darüber hinaus empfehlen die Jugendsynodalen, die Evangelische Kirche im Rheinland solle sich dem Bündnis Seebrücke anschließen. Die von Bündnissen und Akteuren der Zivilgesellschaft getragene Bewegung setzt sich für sichere Fluchtwege ein, für eine Entkriminalisierung der Seenotrettung und die menschenwürdige Aufnahme derjenigen, die auf der Flucht sind. Um möglichst viele Schiffbrüchige aus dem Mittelmeer zu retten, spricht sich die Jugendsynode dafür aus, dass sich die Evangelische Kirche im Rheinland über ihr bisheriges Engagement hinaus an der Finanzierung eines neuen Schiffs für die Organisation SOS Mediterranee beteiligt.
Jugend- und Familienarmut
Zu verstärktem Engagement gegen Kinder-, Jugend- und Familienarmut fordert die Jugendsynode die Evangelische Kirche im Rheinland auf. Dazu gehören der Einsatz für die Umsetzung der von den Vereinten Nationen beschlossenen Kinderrechte, eine Kindergrundsicherung und eine Existenzsicherung für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die gesellschaftliche Teilhabe gewährleistet. Eine „Kultur des Helfens“ soll ein Miteinander ohne „Geben-und-Nehmen-Gefälle“ ermöglichen.
Im Leitpapier fordert die Jugendsynode die Kirche auf, sich für niederschwellige lokale Servicestellen einzusetzen, die Kinder, Jugendliche, Eltern und Familien beraten und unterstützen. Die Stellen sollen hilfesystemübergreifend arbeiten. Kritisiert wird das sogenannte Schnittstellenmanagement für Jugendliche, die zum Beispiel in der Erziehungshilfe aufgewachsen sind. Bei Volljährigkeit ende die finanzielle Unterstützung. Doch wer zuvor im Heim untergebracht gewesen sei, brauche dann ein neues Dach über dem Kopf.
Die Jugendsynode beklagt, dass die Kinderarmutszahlen in Deutschland seit Jahren auf hohem Niveau seien. Durchschnittlich sei jedes vierte Kind in Deutschland von Armut betroffen. Das bedeute, dass eine Familie mit weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens leben müsse. Besonders Familien mit drei und mehr Kindern, mit Migrationshintergrund und Familien von Alleinerziehenden seien von Armut gefährdet. Bildungsabschluss und Wohlstand der Eltern bestimmten weiter erheblich den Schulerfolg und die Bildungswege der Kinder.
Die Gruppe der 18- bis 24-Jährigen beschreibt die Jugendsynode als die am stärksten durch Armut gefährdete Altersgruppe. Ohne Schulabschluss sei die Gefahr eines dauerhaften Lebens in Armut sehr hoch. Die Sanktionsregeln des Sozialgesetzbuches II („Hartz IV“) für junge Menschen seien zudem strenger als für ältere und entkoppelten sie vom sozialen Sicherungssystem.
Positiv bezieht sich die Jugendsynode auf die Offene Kinder- und Jugendarbeit in evangelischer Trägerschaft. Die sozialraumorientierte Arbeit der Gemeinden und Kirchenkreise solle unterstützt werden. Rund 240 Einrichtungen im Rheinland böten viele Möglichkeiten der Verselbstständigung und der Selbstpositionierung für Jugendliche. Die Fachkräfte hätten ihren Blick geschärft für die Lebenslagen der Jugendlichen. Es würden unter anderem Mittagstische und Hausaufgabenhilfen angeboten und die Fachkräfte hätten immer ein offenes Ohr für Wünsche und Sorgen.
Gemeindeformen
Der Grundsatzbeschluss stand schon, jetzt muss noch die Finanzierung geregelt werden – und dazu gibt die Jugendsynode schon einmal kräftigen Rückenwind: „Mit Begeisterung“ schließt sie sich der Entwicklung neuer Gemeindeformen an. Denn: Die Förderung neuer Gemeindeformen und besonderer Gemeinschaften ist eine „Ermutigung zur Veränderung unserer Kirche“, wie es im einstimmig gefassten Beschluss heißt.
Im Einzelnen sind jetzt zu regeln, und darüber hat die Landessynode 2019 zu entscheiden: Mittel für die Finanzierung, auch von Pfarrstellen, Richtlinien für deren Vergabe sowie eine Projektstelle zur Koordinierung.
Die Förderung gilt für Formen von Gemeinde neben der Ortsgemeinde und für sogenannte Erprobungsräume. Dafür werden bis zu fünf Pfarrstellen und jährlich 500.000 Euro bereitgestellt, sieht die Vorlage an die Landessynode vor. So gibt die Landeskirche zwar eine Anschubfinanzierung, aber es wird sichergestellt, dass in der Region das Projekt durch Übernahme von Verantwortung und Aufbringen finanzieller Mittel verankert wird. Die Jugendsynode hat der Landessynode aufgetragen, im Vergabegremium, das die Kirchenleitung berufen soll, auch junge Menschen sowie den Verband Evangelische Jugend im Rheinland zu beteiligen.
Jugendarbeit
Die Jugendsynode setzt sich für verlässliche Ressourcen in der evangelischen Kinder- und Jugendarbeit ein. Gerade eine vielfältige evangelische Kinder- und Jugendarbeit benötige eine entsprechende personelle und materielle Ausstattung, erklärte Pfarrer Markus Risch bei der Einbringung des Beschlussantrags an die Jugendsynode. Deswegen sei es wichtig, flächendeckend ausreichend Personalstellen in der evangelischen Kinder- und Jugendarbeit vorzuhalten, die vom Stellenumfang so eingerichtet seien, dass sie in einer Zeit des zunehmenden Fachkräftemangels attraktiv blieben. Die Jugendsynode bittet die Landessynode daher, Beispiele guter Personalkonzepte in den Kirchenkreisen zu sammeln und zu kommunizieren. Die Jugendsynode fordert zudem ein verbindliches Qualifikationsniveau für beruflich in der evangelischen Kinder- und Jugendarbeit Tätige, damit diese auch für die „komplexer werdenden Lebenswelten der Jugendlichen und die sich verändernden kirchlichen Landschaften“ gerüstet seien, erklärte Risch. Dazu gehöre auch die Förderung beruflicher Kompetenzen, wo diese noch fehlten. Kirchengemeinden, in denen die materielle, personelle und auch räumliche Ausstattung der Kinder- und Jugendarbeit gefährdet sei, sollten unterstützt werden. Dafür solle die Landessynode entsprechende Möglichkeiten prüfen. Die Jugendsynode denkt dabei etwa an Anschubfinanzierungen, Budgets, Co-Finanzierungen oder Fundraising. Schaffung, Erhaltung und Stärkung von Strukturen der Kinder- und Jugendarbeit beschreibt die Jugendsynode als Gemeinschaftsaufgabe, die alle Ebenen der Kirche verbindet.