Unter dem Motto „Jugendarbeit auch in Zukunft ermöglichen“ haben Fachkräfte der Jugendarbeit ein Positionspapier erarbeitet, in dem sie konkrete Maßnahmen für die Aufwertung des Arbeitsfeldes der Jugendarbeit vorschlagen.

Das Positionspapier ist als Petition  online und kann jetzt unterschrieben werden:

https://www.change.org/jugendarbeitzukunft

Positionspapiers zum europäischen Jahr der Jugend

„Jugendarbeit auch in Zukunft ermöglichen“

Kinder- und Jugendarbeit fördert die Entwicklung junger Menschen. Sie regt zu sozialem Engagement und gesellschaftlicher Verantwortung an. Als Ort der non-formalen und informellen Bildung leistet Ju­gendarbeit einen Beitrag zur Erziehung zu Demokratie und Toleranz sowie zur Aneignung von so­zialen, personalen und kulturellen Kompetenzen. Die Freiwilligkeit der Nutzung, die Mitbestimmung und Mit­gestaltung durch die Teilnehmer:innen sowie der freie Zugang für alle jungen Menschen sind charak­teristisch für die Strukturen und Angebote. Dabei ist Jugendarbeit kein starres System, son­dern zeich­net sich durch eine hohe Anschluss- und Entwicklungsfähigkeit aus.

Mit dem vorliegenden Papier wollen wir einen Beitrag dazu leisten Jugendarbeit wieder als Teil der sozialen Infrastruktur, gleichberechtigt neben dem Ausbau von Betreuungs- und Ganztagsangeboten in der Jugendhilfe, zu sehen, zu sichern und weiterzuentwickeln. Denn Kindern und Jugendlichen sind die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Strukturen und Angebote der Jugendarbeit auch nach dem neuen Kinder- und Jugendstärkegesetz (KJSG) zur Verfügung zu stellen.

Wir beobachten, dass …

  • in den Kommunen die Haushaltssituation durch höhere Kostenbelastungen, Aufwendungen für Klimaschutz und Corona-Folgen immer prekärer wird.
  • das Vertrauen in die Demokratie bei immer mehr Menschen abnimmt und die Spaltung der Ge­sell­schaft zunimmt. In einer lebendigen Demokratie notwendige offene Meinungsäußerungen und of­fene Dialoge bergen für Menschen, insbesondere für Kinder, Jugendliche und junge Er­wachsene, die Gefahr Opfer von Anfeindungen, Diffamierung und Diskriminierung zu werden.
  • Kinder und Jugendliche vielfach auf die Rolle als Schüler:innen reduziert werden. Kindheit und Ju­gend sollen Zeiten der Selbstentfaltung sein und dürfen nicht der späteren Produktivität unter­ge­ordnet werden.
  • Jugendarbeit in den vergangenen Jahren einen immer geringeren Stellenwert in der Jugendpoli­tik und -hilfe von Kommunen und Verbänden einnimmt. Dies manifestiert sich sowohl in der per­so­nellen und finanziellen Ausstattung als auch im fachlichen und inhaltlichen Diskurs. Rechtsan­sprü­che auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule sowie die Umsetzung des Kita-Zukunftsgesetzes verschieben dieses Verhältnis weiter zu Ungunsten der Jugendarbeit.
  • Jugendarbeiter:innen zunehmend auf die Akquise von Projektmitteln angewiesen sind, um die ei­gene Stelle sowie die Infrastruktur der Jugendarbeit des jeweiligen Trägers zu refinanzieren und aufrechtzuerhalten. Kleinere Träger können dies vielfach nicht leisten, sodass Stellen in der Ju­gendarbeit immer häufiger wegfallen.
  • die Gewinnung von Nachwuchskräften in der Jugendarbeit zur Herausforderung wird. In den kom­menden Jahren werden vermehrt erfahrene Fachkräfte der Jugendarbeit aus dem Berufsle­ben ausscheiden und die jugendarbeitsspezifischen Qualifizierungen für Neueinsteiger:innen sowie ein nachhaltiger Wissenstransfer fehlen.
  • sowohl eine qualifizierte ganzheitliche Jugendhilfeplanung als auch qualifizierte Konzepte für die Jugendarbeit in den Kommunen und Verbänden sind weder selbstverständlich noch flächen­deckend vorhanden.

Vor diesem Hintergrund sind die Schaffung, Konsolidierung und der Ausbau von nachhaltigen Struk­tu­ren und Ressourcen in der Jugendarbeit – außerhalb von Projektförderungen – dringend notwen­dig, um ihre vielfältigen positiven Auswirkungen für die Gesellschaft auch in Zukunft zu sichern.

Von großem gesellschaftlichem Nutzen ist aus unserer Sicht:

  • Eine Basisförderung zur Absicherung der personellen Strukturen der Jugendarbeit und der Ju­gend­politik in der Landesverwaltung, in den Kommunalverwaltungen und in den Verbänden. Eine ent­sprechende Absicherung der Strukturen wird aus unserer Sicht verschiedene positive Effekte ent­falten. So können Jugendarbeiter:innen die Jugendarbeit konzeptionell qualifiziert weiter­ent­wickeln, ohne unter dem Zwang der Projektakquise und dem damit verbundenen Zwang zur Mit­telakquise zu stehen. Es stehen ausreichend Ressourcen für die Umsetzung von Angeboten und Projekten zur Verfügung und Jugendarbeit wird durch verlässliche Arbeitsverhältnisse für Mitar­beiter:innen attraktiver. Als personellen Standard sehen wir auf der Landesebene mindes­tens zwei Vollzeitstellen in der Fachberatung der Jugendarbeit, auf der kommunalen Ebene min­destens eine Vollzeitstelle der Sozialen Arbeit in der Jugendarbeit pro Kreisverwaltung, kreisfreie Stadtverwal­tung, kreisangehörige Verbandsgemeindeverwaltung sowie eine bzw. einen Bil­dungsreferent:in pro Landes- und Kreisverband an. Eine darüber hinaus gehende lokal notwen­dige Personalres­source ist in Abhängigkeit der qualitativen Bedarfe und der Größe der Zielgruppe der 6 bis 27jäh­rigen im Rahmen der Jugendhilfeplanung zu ermitteln und festzulegen.
  • Die Förderung und Initiierung einer kontinuierlichen wissenschaftlichen Forschung zur Jugendar­beit und Jugendpolitik in Rheinland-Pfalz im tertiären Bildungsbereich der Hochschulen. Nur auf der Basis von gesicherten Erkenntnissen können passgenaue Konzepte für die Praxis entwickelt und Ressourcen effektiv und effizient eingesetzt werden.
  • Eine Aufwertung des Themenfeldes „Jugendarbeit“ in den Curricula der Hochschulen durch die Einrichtung einer Professur der Sozialen Arbeit mit einem klaren Schwerpunkt in dem Arbeitsfeld der „Jugendarbeit“. Durch die gesicherte Präsenz des Arbeitsfeldes in den Curricula der Hoch­schu­len wird das Arbeitsfeld Jugendarbeit für Studierende greifbar und eine bisher in Rheinland-Pfalz fehlende Expertise für das Feld der Jugendarbeit kann sich entwickeln. Weiterhin kann eine Pro­fessur den Forschungs-Praxis-Transfer insgesamt bereichern und der Transfer muss nicht aus­schließlich aus anderen Bundesländern importiert werden.
  • Die berufsbegleitende jugendarbeitsspezifische Qualifizierung von Fachkräften in Rheinland-Pfalz ist von großer Bedeutung. Ein berufsbegleitendes Lernen für Mitarbeiter:innen in der Jugendar­beit ist eine Grundvoraussetzung für qualifizierte Arbeit in sich wandelnden sozialen Gesellschaf­ten. Gerade in den ersten Berufsjahren ist es wichtig, dass Arbeitgeber:innen auch ausreichend Frei­räume für eine Einarbeitung sowie Fort- und Weiterbildung in Jugendarbeit und Jugendpolitik ein­räumen. Hierfür braucht es jedoch auch entsprechende qualifizierte Strukturen und Veran­staltun­gen. Vorstellbar wäre beispielsweise eine rheinlandpfälzische Berufsakademie der Sozia­len Arbeit mit dem Schwerpunkt der Jugendarbeit und Jugendpolitik, die sowohl vom Land als auch allen kommunalen und freien Trägern der Jugendarbeit und Jugendpolitik mitgetragen und -gestaltet wird.
  • Eine Interessensvertretung der Jugendarbeit in der Politik stattfindet. Nur die Fachkräfte der Sozi­alen Arbeit, die eine eigene fachpolitische Haltung innerhalb und außerhalb ihrer eigenen Struktu­ren entwickeln, vertreten das Arbeitsfeld der Jugendarbeit effektiv und effizient. Nur so kann das Arbeitsfeld der Jugendarbeit insgesamt in Rheinland-Pfalz nachhaltig weiterentwickelt werden.
  • Ein regelmäßiger Fachaustausch und die Vernetzung aller Fachkräfte der Sozialen Arbeit in der Ju­gendarbeit auf kommunaler Ebene und Landesebene fördert die „Schwarmintelligenz“ und trägt maßgeblich strukturübergreifend zur Qualifizierung nicht nur des Arbeitsfeldes Jugendar­beit bei. Kommunale Vertreter:innen und verbandliche Vertreter:innen können so gemeinsam Konzepte und nachhaltige Strukturen entwickeln und daraus resultierende Angebote und Projek­te umset­zen.
  • Im nächsten Kinder- und Jugendbericht Rheinland-Pfalz den Themenschwerpunkt Jugendarbeit aufzunehmen. Hierbei sollen vor allem die Strukturen sowie die Bedeutung der Jugendarbeit für das Aufwachsen beleuchtet werden. Die Corona-Pandemie hat in den vergangenen Monaten auf­gezeigt, dass der Wegfall von Strukturen und Angeboten der Jugendarbeit negative Auswir­kungen auf das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen hat. Mit der Berichterstattung kann die Be­deutung von Jugendarbeit für Kinder und Jugendliche erfasst und deren Strukturen und Angebote landesweit analysiert werden.

Wir begrüßen im Kontext dieser Beobachtungen und Sichtweisen,

  • die Durchführung des Praxisentwicklungsprojekts zur Repolitisierung der Jugendarbeit durch das Land,
  • die Vernetzung von hauptamtlichen Fachkräften der Sozialen Arbeit in der Jugendarbeit in regio­nalen Zusammenschlüssen, wie es sie in den Landkreisen Mainz-Bingen oder im Landkreis Trier-Saarburg gibt. Diese können als Best-Practice für kommunale Netzwerke dienen,
  • die Vernetzungstreffen von Fachkräften der Sozialen Arbeit in der Jugendarbeit, die durch das Land initiiert werden,
  • die Durchführung von Jugend- und Fachkräftebefragungen anlässlich der Corona-Pandemie durch das Institut für sozialpädagogische Forschung Mainz, beauftragt durch das Ministerium für Frauen, Familien, Integration und Kultur,
  • die Erstellung der Jugendberichte Rheinland-Pfalz sowohl als wichtige Datenquelle für die Ju­gend­arbeit im Land als auch als wichtige Grundlage für die Entwicklung struktureller und inhaltli­cher Perspektiven der Jugendarbeit und Jugendpolitik in Rheinland-Pfalz.

Das Jugendreferat war an der Erstellung des Papieres  beteiligt.